Steffens Reise-Blog Winter 23

01.12.2023- Ein Wiedersehen in Arusha

3:20 Uhr, gut in der Unterkunft angekommen, WLAN leider nicht existent, daher vermutlich ein verspätetes Update. Sämtliches Gepäck ist sicher und gut in Arusha angekommen. Schon auf der Fahrt wurde mir berichtet, dass sich mittlerweile extrem viel getan hat und sich das Projekt zu einer festen Größe des Viertels entwickelt hat. Und tatsächlich: am Flughafen kannte man unsere Flagge und der Hostelbesitzer ist großer Fan des Projektes. Ich bin so gespannt auf die kommenden Tage, in denen ich dies in der Praxis beurteilen kann! Morgen ist ein erneut langer Tag, der sehr früh los geht: Auspacken, Materialien an die Kinder austeilen, die neuen Entwicklungen erfragen, anschließend Training und schließlich gemeinsam African Championsleague schauen. Am meisten freue ich mich, die Kinder morgen wieder zu treffen. Sie fragen schon seit Tagen nach mir. Es ist für mich ein sehr besonderes Gefühl, hier so willkommen zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar und bemühe mich um Internet, dass ich Euch dabei mit nehmen kann

Gemeinsam mit Charles (Gründer des Projektes vor Ort, „my Tanzanian Brother/ Tanzanian Kaka“ verstauten wir die knapp hundert Schuhe und zahlreichen Trikots in unserem Materiallager.
Dieses liegt im Zentrum von Daraja Mbili, das Viertel in dem wir den Verein gründeten. Kaum auf der Straße, erkannte man mich. Normalerweise versuchen Kinder mit einem freundlichen hinterherrufen von „Mzungu“ („weißer Mann“) Aufmerksammeit zu erhalten. Mit unglaublicher Freude stelle ich fest, dass die Kinder mich nur noch mit „Stefano“ oder „Kinya“ riefen. Dies bedeutet mir unglaublich viel, denn die Kinder scheinen sich an mich zu erinnern. So haben sie auch großes Vertrauen und ich werde jederzeit von einer Traube an 5 bis 10 Kindern („watoto“) begleitet. Noch schöner waren die lieben Begrüßungen der Einheimischen. Eine Mutter eines Spielers („Mama Moudi“) nahm mich sofort in den Arm und führte mich überherzlichst durch das Viertel. Dabei hielten wir an vielen Türen und ich freue mich so, viele Gesichter wieder zu erkennen. Außerdem zeigte sie mir den Ort, an dem sich Einheimische frisches Wasser aus dem Fluss holen (der Fluss hat nämlich eine winzig kleine Nebenquelle, die frischeres Wasser enthält). Dabei zeigte sie mir auch unzählige Pflanzen, aus denen man Tee und Naturmedizin gewinnen kann. Im Anschluss zeigte mir Charles den Ort, an dem wir DANK EURER HILFE (!), ein Grundstück erwerben konnten, um hier ein Vereinsheim zu bauen. Es ist wirklich ein wunderschöner Platz und ich habe Charles selten so stolz erlebt. Der Bau des Vereinsheimes ist ein absoluter Meilenstein für das Projekt und es ist mir unbeschreiblich, wie unglaublich sich das Ganze hier entwickelt hat (dazu in den Folgenden Tagen mehr).

Zudem stellte ich mich dem Street-Officer vor und dankte ihm für den herzlichen Empfang.

Es gäbe noch so viel zu berichten, doch stimmen wir uns nun auf das Training am Nachmittag ein. Anschließend schauen wir Afrikanische Championsleague (sowohl Yanga – Charles Lieblings Club, als auch Simba spielen). Dies werden wir in dem Kino/der Bar von Charles verfolgen und hier ist schon alles vorbereitet, für ein echtes Fußballfest.

Bis hoffentlich bald!

02.12.2023- 2.Tag

Ein unglaublicher Tag geht zu Ende. Geprägt von dem Wiedersehen mit vielen, wunderbaren Menschen. Nach den Erlebnissen am Vormittag (siehe oben), ging es zum Training. Ich war sehr gespannt, wie sich dies in der Praxis darstellte. Zwar habe ich fast täglichen Kontakt mit den Organisatoren (vor allem meinem „tansanischen Bruder/kaka Tanzanian“ Charles), doch ist es in der Praxis immernoch mal etwas völlig anderes.

Und alles was ich sah, übertraf meine Erwartungen bei weitem. Mittlerweile sind deutlich über 100 Kinder im Verein registriert, vier Trainer leiten die Fußballeinheiten. Charles kennt jede Familie, jedes Elternpaar und kümmert sich rührend um viele der Kinder. Wenn Kinder öfter nicht zum Training erscheinen ist dies ein „Alarmsignal“. Es zeigt sich hier die soziale Bedeutung des Sports in der Gesellschaft auf aller beste Weise.
Parallel trainierten auch unsere Netballmädchen, die ich das erste mal persönlich kennen lernen durfte. Vor dem Training holte sich jedes Kind seine Materialien ab. Hier ist es selbstverständlich, dass sechs Elfjährige vier riesige Taschen in einem winzigen Bus zum Sportplatz transportieren. Leider ist der Platz 3 Kilometer entfernt, da es in Daraja Mbili keinen (günstigen) Platz gibt. So müssen alle Materialien und Personen den Fußweg hinter sich bringen, denn andere Transportmittel gibt es für die Kinder nicht.

Die Kinder trainieren zu sehen, in solch guter Organisation, ausgestattet mit Schuhen und anderen Materialien war für mich persönlich sehr berührend. Erst vor zwei Jahren traf ich das erste Mal auf die Gruppe Kinder, die barfuß mit selbstgenähten Bällen spielten. Nun trainieren über 100 Kinder unter für tansanische Standards guten Bedingungen, ohne dass sie dafür (im Gegensatz zu allen anderen Vereinen) bezahlen müssen. So gerne würde ich es möglich machen, dass alle Unterstützer des Projektes diese Entwicklungen vor Ort sehen könnten. Dies ist einfach nicht durch Bilder und Worte zu ersetzen.

Nach dem Training ging es in Charles Bar. Hier zeigt er jeden Tag Fußball. In Tansania gibt es zwei große Teams: Young African und Simba – mit einer Rivalität ähnlich zu Schalke/Dortmund oder HSV/St. Pauli (liebe Grüße an meine Fußballfreunde 😜❤️). Heute war African Championsleague und es spielten sowohl Simba, als auch „YoungA“. Die Stimmung während dieser Spiele in der selbstgebauten „Bar“, mit knapp 100 Einheimischen, auf Holzbrettern sitzend ist mit nichts mir Bekanntem in Europa zu vergleichen. Man stelle sich aber mal 50 HSV – und 50 St Pauli Fans in einer Bar vor. Nur in friedlich. Und auf Swahili. Weltklasse! Die Vuvuzela gibt es übrigens immernoch.

Morgen geht es zu unserem letzten Ligaspiel. Die Liga haben wir mit ins Leben gerufen, damit die Kinder regelmäßige Wettkämpfe bestreiten können. Gegner ist der Tabellendritte. Eine sehr bekannte und für die Spieler extrem teure „Future Star“ Academy (wir sind Tabellenzweiter). Dies wird sicherlich ein erneut aufregender Tag, auch wenn es sich nach nicht einmal 24 Stunden schon so anfühlt, als wäre ich drei Wochen hier.

Bis morgen, mpaka kesho ❤️🇹🇿

 

03.12.2023- 3.Tag

Heute ist „Matchday“. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Zunächst bereiten wir die Materialien, dann kaufen wir ein und bereiten für die Kinder ein Essen vor. Zudem ist Sonntag. Der Glauben ist hier sehr bedeutsam und ein wichtiger Bestandteil vieler Tansanians. In Daraja Mbili gibt es sowohl Muslime, wie auch Christen. Daher ist heute an jeder Kirche sehr viel los, doch auch auf den Straßen werden Gottesdienste unter freiem Himmel gefeiert.Vor dem Spiel wird für alle Spieler frisch gekocht. Einige Spieler haben seit gestern nichts gegessen und so haben sie eine Stärkung vor dem Spiel. Zur einstimmung schauen wir ein Konzert einer Band aus Arusha im TV. Es wird getanzt und gesungen, zum Glück können die Kinder 100 mal besser tanzen als ich. Nun warten wir auf den „Bus“ (dalla dalla), der uns zum Spiel bringt.Das ganze Wochenende haben wir uns vorbereitet, für dieses Spiel. Nach dem Aufwärmen hieß es dann: „ihr spielt heute nicht, ein anderes Spiel wird nun statt finden.“ warum? Kurzfristig haben sie mehr Geld bezahlt, damit sie auf den Platz dürfen. Ein leider typisches Beispiel aus der Realität in Arusha…Auf dem Rückweg hielt Chaz kurz an, er sagte „Steffen, let me show you something.“ wir waren zu dieser Zeit in dem wohl kriminellsten Viertel der Stadt und ich wusste von Charles, dass hier extreme Armut und Gewalt herrscht. Somit stieg ich nur ungern aus, doch wenn ich mich an Charles halte, bin ich sehr sicher. Wir ginge um einige Ecken und kamen an einer winzigen Lehmhütte an. Er wollte mir dies zeigen, da hier unser größtes Talent – Jackson (mit der Nummer 4) wohnt. Er ist 10 Jahre alt, spielt aber schon in der U15. Charles kennt nicht nur jeden Spieler, sondern auch sämtliche Eltern, soziale Hintergründe und Familien. Er kümmert sich Tag und Nacht um die Kinder. Dieses Wochenende hat er sich quasi 48 Stunden um die Kinder gekümmert, die zwei wirklich tolle Tage hatten. Die Kinder sind wie eine große Familie. Dies ist es, was mich am meisten berührt. Dieses Projekt geht eben nicht nur um Sport.

04.12.2023- 4.Tag

Guten Morgen,
Unter der Woche gehen die Kinder zur Schule. Es gibt kostenfreie Governmental Schools und Privatschulen (die qualitativ deutlich hochwertiger sind). In Privatschulen lernt man ab der Grundschule Englisch, was sehr wichtig ist, da jede weiterführende Bildung in Englisch ist. Die Kinder gehen sämtlich zu Governmental Schools, welche unter der Woche unterrichten. Die Kinder sind unter der Woche daher bis um 16/17 Uhr in der Schule, da der Unterricht hier sehr lange geht. Training ist also nur an Wochenenden und Ferien möglich, weil es schon um 18 Uhr dunkel wird.

Unter der Woche möchten wir daher vor allem organisatorische Arbeit machen und Dinge vor Ort weiter voran bringen. Hauptziele, neben vielen weiteren, ist der Bau eines Vereinsheimes sowie die Entwicklung der Mädchennetballsparte.

Charles trifft sich heute mit dem Architekten des Vereinsheimes zur Preisverhandlung (wenn ich dabei wäre, würde es dreimal so viel kosten).
Außerdem wollen wir nach möglichen Trainern des Netballteams suchen.Parallel stehen viele viele weitere Dinge auf dem Plan. Aktuell ist unser Projekt das einzige in Daraja Mbili. Doch plant der Besitzer der Unterkunft (der selbst in Daraja Mbili lebt) einen Aufbau einer Kindestagesstätte für Kinder aus armutsbetroffenden Familien. Wir unterhielten uns lange und er fragte mich um viele Ratschläge für eine Projektentwicklung. Er lud mich zu diesem Projekt ein, welches ich mir heute anschaue.

Eigentlich standen heute einige Organisatorische Punkte auf dem Plan. Doch ist jeder Tag in Daraja Mbili voll mit sehr persönlichen Eindrücken. Vorweg: das tollste Gefühl für mich persönlich ist nicht nur, dass das Projekt sowohl in Deutschland, als auch in Arusha unglaublich gut organisiert ist. Sondern vor allem, dass ich mittlerweile nicht mehr als Fremder gesehen werde. Es ist ein wunderbares Gefühl, an diesem Ort nicht mehr als „Mzungu“ (weißer Mann) herum laufen zu müssen.

Nun möchte ich Euch einen kurzen Einblick geben, viele der sehr persönlichen Erfahrungen werde ich allerdings vor allem in meinen Erinnerungen abspeichern und für mich persönlich verarbeiten. Auch möchte ich Euch einen Einblick geben, was dieses Projekt auch vor Ort für einen Organisationsaufwand hat. Denn hinter diesen Bildern steckt unglaublich viel Arbeit (von Charles, dem besten Menschen den ich kenne). Charles erhält kein Geld von uns und er lehnt jede Bezahlung ab. Und das, obwohl er auch in tansanischen Standards im Verhältnis wenig als Porter auf dem Kilimanjaro verdient. Deshalb möchte ich immer wieder betonen, dass nicht ich es bin, der dieses Projekt derart aufbaut. Es ist Charles, der jeden Cent den er hat und jede freie Minute für das Wohl der Kinder aufbringt. Ich musste leider schon viele Erfahrungen machen mit „sozialen Projekten“, die einen sozialen Hintergrund proklamieren, allerdings den eigenen Profit in den Vordergrund stellen. Als Fremder, der spendet oder freiwillige Arbeit verrichten möchte, erhält man häufig tolle Bilder für was man spenden würde. Doch in der Realität landet schließlich vieles in der Tasche der „Organisatoren“. Charles erzählte mir darüber viele Geschichten und ich selbst habe schon viele solcher Erfahrungen machen müssen – aber eben deshalb ist es so unglaublich wertvoll für mich hinter die Fassaden schauen zu dürfen. Nun zu meinem Tag:Am morgen schaute ich mir die benachbarte Kindertagesstätte an. Sie proklamieren, Kinder aus armutsbetroffenen Familien aufzunehmen. Tatsächlich habe ich viele Kinder aus den Straßen hier wieder getroffen und sie haben jeden Tag „Preschool“ Unterricht. Allerdings kenne ich die Organisatoren (noch) nicht gut genug, als dass ich aktuell mehr über dieses Projekt und dessen Glaubwürdigkeit mit Sicherheit sagen möchte. Jedoch werde ich daran in den kommenden Tagen arbeiten, da ich diesen Projektansatz wirklich super finde.Darauf schauten wir nach dem Grundstück für das Vereinsheim. Am Morgen redete Chaz mit einigen Bauarbeitern bezüglich des Vereinsheimes. Morgen werden die ersten Bäume gefällt. Der Bau soll so bald es geht los gehen. An jedem Ort trafen wir Spieler von Arusha 05.Anschließend besprachen Charles und ich die finanzielle Planung und Ausrichtung des Projektes. Wie ihr wisst, ist die Arbeit von Arusha 05 ausschließlich durch Spenden finanziert. Eine Herausforderung ist die Buchführung in Tansania, da es im Viertel keine Rechnungen gibt. Dies war eine meiner großen Sorgen und so versuchte ich den Organisatoren zu verdeutlichen, wie wichtig eine transparente Buchführung für uns ist. Vieles läuft hier unter der Hand und es wird ohnehin nur bar bezahlt. So hatte ich meine Bedenken… Doch Charles führt unglaublich gewissenhaft Buch. Er ist in diesem Punkt viel deutscher als ich… Jedes Kilo Reis wird penibel notiert. Jede Tomate wird abgerechnet. Ich konnte es kaum glauben, aber er konnte mir wirklich jede kleine Ausgabe des letzten Jahres zeigen.

 

 

 

 

05.12.2023- 5.Tag

Ein großer Moment, der Bau des Vereinsheimes beginnt 😍😍

Zunächst müssen 6 Bäume entwurzelt werden. Gar nicht so einfach mit Sparten und Beil. Ich würde wohl eine Woche brauchen, die Jungs brauchen dafür nur 6 Stunden.

Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie stolz wir darauf sind. Im Namen aller Beteiligten: Danke für all die Spenden, die den Bau des Vereinsheimes ermöglichen. Hier kommt wirklich jeder Cent an ❤️

 

 

06.12.2023 – 6.Tag

Ich wünsche allen einen schönen Nikolaus! 🎅
Deutschland ist von hier aus so weit weg. Nicht nur geografisch.

Ich werde daher heute noch versuchen, Erlebnisse von gestern etwas einzuordnen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man sich Dinge aus der Ferne teils ganz verzerrt ausmalt, oder sie auch nicht immer ganz so realistisch dargestellt werden. So möchte ich versuchen, ein möglichst wirklich authentisches Bild zu berichten. Dies ist eine große Herausforderung, da Berichte immer nur ein Versuch einer Darstellung selbst sind und wiederum Interpretationsfreiraum lassen.

Heute stehen viele Gespräche mit Verantwortlichen an. Dabei bin ich teilweise dabei (wie zum Beispiel heute morgen, als wir eine Ausweitung und Förderung der Mädchennetballsparte diskutierten). Teilweise auch ganz bewusst nicht, vor allem wenn es ums Geld geht (wie aktuell, wenn es um die Materialien des Vereinsheimes geht). Ansonsten würden Dinge nämlich dreimal so viel kosten. Zudem ist es, wie schon oft zuvor erwähnt, Charles, nicht ich, der dieses Projekt (vollkommen ehrenamtlich!) vor Ort führt.

Unter der Woche ist Training eigentlich nicht möglich, da die Schule bis um 17:00 Uhr geht und es früh dunkel wird. Charles hat jedoch einen Brief an die Lehrer geschrieben, damit die Kinder früher frei bekommen. Denn nächste Woche steht die Teilnahme an dem größten Turniers Ostafrikas an! Hier können sich die Spieler auch Vereinen aus Europa und den USA präsentieren.

07.12.2023- 7.Ta

Für heute stand vor allem die Materialbeschaffung auf dem Plan. Auf der einen Seite gilt es, so schnell es geht Materialien für den Bau des Vereinsheimes zu besorgen, damit der Bau so schnell es geht beginnen kann. Doch „schnell“ ist hier relativ. Ersteinmal müssen ausführliche Preisverhandlungen geführt werden… Aber es gibt viele Materialien in Daraja Mbili selbst, wir können also auch die lokale Wirtschaft unterstützen.

Darauf ging es in die Stadt, wo wir mit Yasin, unserem Trainer der Netballteams in die Stadt. Ziel ist der langfristige Ausbau der Netballsparte, um nachhaltig, sukkzessiv ebenso gleich Mädchen wie Jungs zu fördern. Aktuell sind 120 Jungs im Arusha 05 registriert und nur ca 30 Mädchen.

Zu aller erst benötigt es ausreichend Material und so kauften wir heute einen Trikotsatz für die Kinder.

Neben den angesprochenen Zielen (Bau des Vereinsheimes, Mädchennetballteams), arbeiten wir gleichzeitig an vielen anderen Dingen. Beispielsweise erörtern wir aktuell die Möglichkeit, ob man Kindern im Rahmen von Spieltagen Englischunterricht zukommen lassen kann. Das beherrschen von Englisch ist essentiell, jeder weiterführende Bildungsweg ist auf Englisch und die Kinder lernen auf den staatlichen Schulen so gut wie kein Englisch.

Außerdem kam mir eine ganz besondere Ehre zu: Im Auftrag von Hannover 96 gründeten wir den ersten Fanclub von Hannover 96 in Tansania, den damit erst zweiten in Afrika. Calleb (Gründer des Fanclubs) ist total Bundesliga-Verrückt. Es war totaler Zufall, dass er in Arusha wohnt. Er kontaktiere Hannover 96 vor Wochen, da sie jedes Spiel gemeinsam mit knapp 20 Einheimischen verfolgten. Warum Hannover 96? „das ist wie mit seiner Frau… Da kommt eine und in die verliebt man sich“. Es ist mir persönlich auch eine große Ehre und ich freue mich, dass wir so großartige Unterstützung haben. Hannover 96 ist meine sportliche Heimat und ich verbinde viele Erinnerungen mit diesem Verein.

 

08.12.23 – 8.Tag

Mit der Gründung des Hannover 96 Fanclubs war dies die dritte Vereinsgründung, der ich innerhalb nicht einmal 2 Jahren beiwohnen durfte. Meine Tage hier sind voll mit Action, bisher bin ich wirklich jeden Tag 12 bis 14 Stunden unterwegs gewesen, um mit Charles an Arusha 05 zu arbeiten. Dinge in letzter Zeit, auch persönlicher Natur, sind sehr schnell gegangen. Im November schloss ich binnen zwei Wochen mein Studium ab und verteidige meine Doktorarbeit. Kaum ist ein Projekt beendet, folgt das nächste.

Daher möchte ich an dieser Stelle einmal einen Rückblick auf die Entwicklungen geben, damit man besser versteht, was ich mit „rasant“ meine.

Es began September 2021, als ich Charles auf dem Kilimanjaro als Porter traf. Wir kamen durch meine Hannover 96 Trainingsjacke über Fußball ins Gespräch und so lud er mich und Pauli in sein Viertel (Daraja Mbili) ein, wo er eine Fußballmannschaft gebildet hat.

Er trainierte diese schon drei Jahre lang. Mit nur einem Ball und Steinen als Hütchen. Es ist sehr wichtig zu betonen, dass er dieses Projekt also auch schon gründete, lange bevor wir uns kennen gelernt hatten. In der Folge beschloss ich, die Kinder durch Materialsammlungen zu unterstützen.

Insbesondere Dank der überwältigenden Hilfe von Göttingen 05, deren Trainer ich bis zuvor war, fanden sich viel mehr Spenden, als ich erwartet hätte. Auch Freunde und Weggefährten halfen bei der Sammlung.

Einmal nach Arusha gesendet, erkannte ich die Wirkung, die man durch kleine Dinge vor Ort entfalten könnte. Außerdem wusste ich nun, dass es in Deutschland ein großes Interesse an diesem Projekt geben könnte. So sammelte ich weitere Materialien. Doch sind die besten Schuhe auch nach einem Jahr kaputt und ich fragte mich, wie man auch langfristige Unterstützung erreichen könnte.
Durch einen ersten Preisgewinn der Uni Göttingen konnte ich zwei weitere Reisen nach Arusha im Mai 22 und November 22 finanzieren.
Ich suchte nach nachhaltigen Lösungen die vor allem Struktur bedeuteten. So gründeten wir den Arusha 05 FC, in Anlehnung an Göttingen 05 – Unterstützer seit dem ersten Tag. In der Folge entwickelten wir Strukturen. Die Bildung von Teams, Ausbildung von Trainern, Teilnahme an Wettkämpfen.

Die wachsende Zahl an Beteiligten vor Ort führte zwangsläufig auch zu steigenden Kosten. Denn: Kinder sollen und werden niemals für die Beteiligung im Verein zahlen müssen!
Dies ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal unseres Projektes und nur so gelingt es uns, wirklich denjenigen das Sporttreiben zu ermöglichen, die es sich sonst nicht leisten könnten.

Eine nachhaltige Vereinsentwicklung konnte also nur gewährleistet werden, wenn auch die Finanzierung nachhaltig gesichert ist.

Aus diesem Grund bat ich wenige enge Freunde um Hilfe und so gründeten wir im Januar 2023, den gemeinnützigen Verein Sporthilfe Tansania e.V., um in Deutschland das Projekt zu bewerben und Spenden sammeln zu können.

In der Folge entwickelten sich die Dinge sowohl in Deutschland als auch in Tansania rasch weiter.

In Deutschland fanden sich viele weitere Partnervereine, aus der Region und über die Region hinaus, aus dem Amateursport und Leistungssport und aus allen verschiedenen Sportarten an.

Wir richtete die ersten Events aus, mit dem Highlight der Kilimanjaro Challenge, bei der Radsportbegeisterte am Kehr 6000 Höhenmeter zurück legten.
Wir konnten drei weitere Preise gewinnen und das Interesse in Deutschland wuchs gewaltig.
Die Arbeit war schnell nicht mehr mit dem Kernteam, bestehend aus „fünf Freunden“ zu gewährleisten.

Daher nahmen wir Ende Oktober 2023 eine Restrukturierung vor und so arbeiten nun 20 Personen gemeinsam aktiv an den Zielen der Sporthilfe Tansania.

Nach Beendigung meines Studiums und der Doktorarbeit, kann ich nun bis zum 1.3. 2024, unterstützt durch ein weiteres Stipendium, mich vollständig auf die Projektentwicklung fokussieren. In diesem Rahmen findet auch diese, sowie die nächste dreiwöchige Reise im Januar statt.

Unter dem Motto „Sport ist mehr als nur ein Spiel“ ist unser Hauptziel die Verbesserung der Lebensbedingungen der Kinder in Daraja Mbili, über die Förderung des Sports.

In Tansania ging es in der Folge ebenso rasch voran und so Ende ich mit der Auflistung der aktuellen Situation:

Mittlerweile gibt es vier Fußballteams, 120 Kinder sind im Verein registriert.
Sie werden von vier Trainern trainiert.
Es gibt ein Netballteam für Mädchen mit insgesamt 25 Spielerinnen, trainiert von Yasin.
Sie nehmen an einer von uns mit organisierten Liga teil.
Die Kinder erhalten an Spieltagen kostenfreies Essen, Trinken und auch der Transport ist gewährleistet.
Die Buchführung läuft fantastisch, es sind zielgenaue Finanzplanungen möglich.
Im Januar steht bereits die Gründung einer U21 Fußballmannschaft an.
Die Förderung des Netballs nimmt nun hoffentlich auch Fahrt auf.
Der Bau des Vereinsheimes hat begonnen.

Entschuldigt die lange Ausführung. Aber ich wollte mir auch selbst einmal die Zeit für diesen Rückblick nehmen, bevor ich heute wieder 12 Stunden auf Achse bin, nach vorne schaue und bei der Entwicklung der weiteren Ziele ansetzen kann.

09.12.23- 9. Tag

Heute ist Matchday 🔥🔥💪🏻 bedeutet: Alle bekommen die besten Schuhe, das beste Material. Es wird gekocht, aller erhalten Essen und Trinken. Gleich geht es los zur Auswärtsfahrt.Auf der Fahrt werden wir natürlich mehrmals durch die Polizei angehalten. Wir müssen zahlen. Wofür? Weiß der liebe Himmel..

Es geht vorbei an vielen Privatschulen. Sie sehen aus, wie amerikanische Schulen. Wirklich tolle Anlagen. Der Jahresbeitrag für eine solche Schule sind 10 Millionen Schilling pro Kind. Weit über dem Dreifachen, was durchschnittliche Eltern in Daraja Mbili im Jahr zur verfügung haben.Die Academy, gegen die wir heute spielen ist eine wirklich große und bekannte. Gefördert durch Ajax Amsterdam und ein echtes Zugpferd der Region. So richten sie auch das große Turnier nächste Woche aus, bei der auch einige Scouts vorbei schauen. Talente werden oftmals nach Europa transferiert. Leider ist der Beitrag für diese Akademie auch nur für einen bestimmten Teil der Bevölkerung zu bezahlen. Für mich ist jedoch genau dies die Stärke des Fußballs: nämlich wirklich JEDEN zu erreichen. Daher gehen wir einen anderen Weg und wollen uns wirklich ausschließlich durch Spenden finanzieren.

10.12.23- 10. Tag

Guten Morgen ins kalte Deutschland! Hier war es gestern herrliche 30 Grad. Weihnachtsstimmung kommt nicht auf, aber ich mag die Sonne lieber als die Kälte.

Heute ist auch schon wieder das nächste Spiel! Die Vorbereitungen auf das Turnier nächste Woche laufen auf Hochtouren.

Kleine Annekdote: Charles sagte mir gestern, sie würden um 10 Uhr spielen. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Denn: es gibt eine Europäische „Uhr“ und eine „Swahili Uhr“. (weiß nicht wie ich es besser sagen kann).

Die Swahili Uhr ist genau um 6 Stunden versetzt. Unser 12 Uhr, ist in Swahili 6 Uhr. Unser 6 Uhr ist in Swahili 12 Uhr. Schon oft hat dies zu diversen Konfusionen geführt. Charles kam daher auch zweimal zum Flughafen gefahren, weil er dachte ich hätte ihm die Swahili Zeit gesagt. So einigten wir uns, dass wir nur noch die Swahili Zeit nutzen.

Problem: ausgerechnet heute meinte er mit „10 Uhr“ die Europäische Uhr. Das Spiel ist also nicht wie gedacht um 16 Uhr unserer Rechnung, sondern schon um 10. Daher gibt es heute mal keine Bilder vom Aufwärmen, werde aber noch pünktlich zum Anpfiff da sein.

Schon auf dem Hinweg wunderte ich mich, dass es überall festlich geschmückt war. Ich geriet in einen Tross an 100 gut gekleideten Menschen, die einer Gruppe Musikanten folgten. Da ich schnell zum Fußballplatz kommen musste, beachtete ich sie nicht. Doch auf dem Rückweg war dann klar:heute ist das Wochenende der Konfirmationen! Denn ich wurde spontan von einer Familie in Daraja Mbili zu feier eingeladen. Alle haben ihre beste Kleidung besorgt und überall ist Musik. Es wird gesungen, getanzt, gefeiert.Wow, was ein Abend…
Die Feier der Konfirmation ist mitten im Zentrum Daraja Mbilis. Man hat zwischen den Häusern Stofftücher aufgespannt, es gibt einen DJ und sehr sehr viel Pilau (meine Lieblingsspeise). Wirklich jeder schaut vorbei. Es wird gemeinsam gefeiert und getanzt, das Leben genossen. Jeder ist eingeladen, auch sehr viele Muslime (knapp die Hälfte der Bevölkerung) feiern selbstverständlich mit (genauso feiern die Christen bei den muslimischen Festen mit). Überhaupt ist Religion hier sowieso überhaupt kein Grund für Differenzen, im Gegenteil… Viele Kinder und Familien von Arusha 05 sind natürlich auch gekommen. Ich verlasse den Abend jedoch schnell, da ich selbst nicht die intime Atmosphäre stören möchte. Alleine die Einladung bedeutet mir so viel. Ich ziehe daher weiter unseren Stammpub – hier wird natürlich (wie an jeder Ecke heute) auch gefeiert und getanzt. Die Kellner kennen mich mittlerweile, ich lade sie auf ein paar Bier ein und wir genießen den Abend 🇹🇿❤️

 

11.12.23 – Tag 11

Guten Morgen aus Arusha, die schwüle Hitze von gestern hat sich durch ein ordentliches, nächtliches Unwetter entladen und es ist ein herrlicher Tag. Heute wird wieder weiter eingekauft und es soll hoffentlich der Bau des Vereinsheimes beginnen. Zunächst aber müssen die Materialien, die am Wochenende zum Einsatz gekommen sind, aufgeräumt und gesäubert werden. Zudem ist heute nachmittag Training für die U11 und U13 geplant. Mal schauen, was ich heute alles schaffe…

12.12.23 – Tag 12

Heute ist mein letzter Tag in Arusha, morgen Abend geht es zurück nach Deutschland.

Daher werde ich heute noch ein paar Muffins für die Kinder besorgen, die ich heute das letzte Mal beim Training gemeinsam sehe. Außerdem habe ich tatsächlich ein bisschen deutsche Süßigkeiten (Haribo) auftreiben können.

Ich bin ehrlich gesagt ziemlich traurig und Charles war es heute auch. Ich habe in der Stadt noch ein Geschenk für Charles besorgt. Einen Trainingsanzug, den ich mit seinem Namen bedrucken lasse.

Wenn man hier ist, dann ist dies eine unglaublich intensive Zeit. Wir sind mittlerweile so verbunden, dass es mich traurig stimmt, sie zu verlassen.

Nichts desto trotz freue ich mich so sehr, im Januar wieder zu kommen! Und es gibt so viele neue Pläne, die wir angehen möchten. Es wird wachsen und immer wichtiger und besser werden. Da bin ich mir sicher…Beim Training heute verabschiedete ich mich von den Kindern, da ich es morgen voraussichtlich nicht mehr schaffe, die Kinder zu treffen. Es ist sehr emotional für mich, sich zu verabschieden. Die Kinder sind mir wirklich unglaublich ans Herz gewachsen und es ist nicht mit Worten zu beschreiben, was alle in diesem Verein mittlerweile verbindet. Es gibt so unendlich viele kleine Geschichten, die ich mit jedem einzelnen Kind verbinde. Ich könnte so viel schreiben, möchte aber das ganze für mich verarbeiten und ein paar Bilder für mich sprechen lassen.

 

 

13.12.23 – Abreise – Fazit

An dieser Stelle möchte ich einmal auf die Reise zurückblicken und ein erstes (Zwischen-) Fazit ziehen. Denn gleich vorweg: Das Projekt läuft ja ebenso, wenn ich nicht vor Ort bin und es steht ja auch schon in vier Wochen die nächste Reise an. Daher folgt auch darauf ein Ausblick, denn aus jedem Fazit erfolgt auch sogleich eine Möglichkeit der Verbesserung in der Zukunft. Trotzdem möchte ich den Moment nutzen, um die Erlebnisse etwas einzuordnen. Einerseits aus der organisatorischen Seite in nüchterner Betrachtung der Strukturen (möglichst objektiv dargestellt) und andererseits auch auf der persönlichen Seite, denn dieses Projekt hat eben so viel persönliche Bedeutung.

Ziele dieser Reise waren 1. Die Analyse des aktuellen Status, 2. Der Beginn eines Ausbaus des Mädchensports (durch Förderung des Netballs) und 3. Baubeginn des Vereinsheimes.

Das Wichtigste vorweg: allen (mir bekannten) Kindern geht es den Umständen entsprechend gut und sie sind gesund.
Aktuell sind 120 Kinder im Fußball und knapp 30 Kinder im Netball tätig. Trainiert von 4 Fußballtrainern und einem Netballcoach, der jedoch immer wieder Unterstützung hat. Das Training ist wirklich gut durch die Trainer organisiert. Materialbestand ist für tansanische Standards aktuell relativ gut, es mangelte insbesondere an Netballtrikots und Bällen. Dieses Problem konnte behoben werden. Es bleibt allerdings ein Mangel an anderen Materialien wie Fußballschuhen, Hütchen und Stangen. Außerdem braucht es für ein hochwertiges Training zwei weitere Fußballtore. Der Platz auf dem gespielt wird ist normal für tansanische Bedingungen, jedoch behindert er durch seine Qualität durchaus die Entwicklung eines weiterführenden Trainings (wahrscheinlich würde jeder Kreisligist in Deutschland sich weigern auf einem solchen Platz zu spielen). Außerdem gehört er der Regierung, sodass man immer auf einen guten Willen angewiesen ist. Des Weiteren reicht auf Grund Mangelnder Drainage ein Regenschauer für dessen Überflutung. Nach der Regenzeit bilden sich kleine Seen, die Brutstätte von Malaria Mosquitos sind. Die Qualität der Spieler ist total durchmischt. Es gibt durchaus echte „Supertalente“ und genauso nehmen aber eben auch alle anderen Kinder am Training teil. Eine echte Talentförderung ist allgemein in Tansania jedoch schwierig.
Ärgerlich ist das Schulsystem auf Governmental Schools, welche bis 5 Uhr nachmittags unterrichten. Dies erlaubt meist kein Training unter der Woche, sodass nur zweimal die Woche, also am Wochenende trainiert werden kann.
Betrachtet man die Verwaltung des Vereins ist festzustellen, dass Charles alles fest im Griff hat. Dies ist gar nicht so einfach, wenn man bedenkt aus welchen Bedingungen die Kinder stammen, keine Smartphones besitzen und Strukturen auch absolut ungewohnt sind. Er ist selbst in Daraja Mbili aufgewachsen, kennt jede Familie, jedes Kind, jedes Problem. Es ist immer wieder zu betonen, wie herausragend seine Arbeit ist. Wenn ein Kind ein Problem hat, so springt er sofort ein. Dieses Projekt hat nur deshalb eine solch soziale Wirkung, weil Charles dieses Projekt leitet. Zudem ist die Verwaltung herausragend: Jeder Sack Reis wird akribisch notiert und abgerechnet, was für die Arbeit der Sporthilfe Tansania in Deutschland wiederum sehr wichtig ist. Problem ist es, dass Charles jedoch seinen Lebensunterhalt als Porter auf dem Kilimanjaro verdienen muss. Nicht nur, weil es ein menschenunwürdiger Beruf ist, sondern auch weil er daher etwa 16 Wochen pro Jahr nicht vor Ort sein kann. Laut seiner Aussage läuft es dann drunter und drüber und das kann ich mir auch sehr gut vorstellen, angesichts der Arbeit, die er verrichtet.
Spieltage sind ebenfalls super organisiert. Es gibt für alle Kinder Essen, es gibt den Transport zum Platz, es gibt super Materialien.
Leider gibt es immernoch, trotz Gründung einer Liga, nur wenig Wettkämpfe, bei der auch insbesondere jüngere Spieler teilnehmen können.
Angesichts dessen, dass der Verein Arusha 05 FC erst vor knapp einem Jahr gegründet wurde, sind diese Entwicklungen aber wirklich großartig. Was dieses Projekt einzigartig macht ist zum einen Charles Arbeit, der sich mit ganzem Herzen rührend um die ärmsten der Gesellschaft kümmert. Und das eben rein ehrenamtlich und trotz eigener finanzieller Sorgen. Zum anderen, dass die Kinder keinen Cent zahlen müssen. Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten, die „die Förderung sozial benachteiligter Kinder“ proklamieren, dann aber von ihnen Geld verlangen, schaffen wir es so wirklich, jedes Kind zu erreichen und eben genau da zu helfen, wo die Hilfe wirklich ankommen muss.
Und damit komme ich zum letzten und für mich wichtigsten Punkt aus struktureller Sicht. Der Spendenverwaltung. Und nach meiner Einschätzung ist es eben genau diese, die solch eine rasante Entwicklung möglich macht. Es ist genau Charles, der eben keinen Cent nimmt und eher noch drauf zahlen möchte, damit all die Spenden bei den Kindern ankommen. Und in Betrachtung anderer Projekte, die ich mittlerweile kennen lernen durfte ist dies auch ein Alleinstellungsmerkmal.

Die Förderung des Mädchensports ist eine Herausforderung. Erstens ist es kulturell bedingt so, dass Mädchen eher weniger Sport auf den Straßen treiben als Jungs. Zweitens ist auf Grund der Person Charles, der eben ein Fußballer ist, von vornherein vor allem ein Fußballprojekt entstanden. Fußball wird allerdings weniger durch Mädchen gespielt.
Es ist aber eben mir und auch vor allem Charles (!) ein Anliegen, jedes Kind, also auch Mädchen zu fördern. Ein Ansatz ist daher die Förderung des Netballs, welche mit Yasin einen aus meiner Sicht wirklich tollen Betreuer hat. Er selbst ist Sportler durch und durch, hat viele Erfahrungen im (Profi) Sport gesammelt. Er hat auch die sehr angenehme und wichtige Einstellung, dass eine Entwicklung in diesem Bereich lieber langsam und beständig, als zu schnell und dafür nicht nachhaltig voran ginge. Für einen Start der Entwicklung statteten wir die Spielerinnen also zunächst mit Material aus. Yasin hält nach anderen Trainern ausschau, die vielleicht schon bald auch weitere Teams trainieren können. Des Weiteren steht die Ausrichtung eines Turniers im Raum. Genauso die Gründung einer Fußballmädchenmannschaft. Fazit ist, dass hoffentlich der erste Grundstein für eine folgende Entwicklung gelegt werden konnte. Mehr dazu im Ausblick, den ich später schreiben werde!

Als letztes konnten wir den Bau des Vereinsheimes beginnen. Dieser ist verdammt gut koordiniert (mal wieder Dank Charles) und schreitet rasant voran. Das Vereinsheim ist wirklich nicht nur ein Haus. Es ist ein echtes Symbol, ein Grund- und Meilenstein zugleich. Es ist schwierig zu beschreiben, welch große Bedeutung dieser Bau hat. Hier entsteht buchstäblich ein Traum zum Anfassen.
In Arusha ist Arusha 05 (gesprochen Arusha zero five) daher mittlerweile im Sport weit bekannt. In Daraja Mbili ist es sowieso eine anerkannte und sehr beliebte Adresse. Nahezu jedes Kind würde wohl gerne am Training teilnehmen.
Und so bleibt mir noch ein persönliches Fazit.

Dieses Projekt ist nicht entstanden, weil ich am Reisbrett mir einen Plan entworfen habe, wie man was genau machen sollte. Es ist entstanden aus der schicksalhaften Begegnung mit Charles aus der sich eine tiefe Freundschaft entwickeln sollte. Es ist entstanden aus dem ersten Besuch (nur für wenige Stunden) in Daraja Mbili, mit dem überwältigenden Gefühl der Gemeinschaft und der Erkenntnis über die soziale Bedeutung des Fußballs. Es ist also ein Projekt des Herzens, nicht des Kopfes und genau das ist es glaube ich, was es sehr besonders macht.
Und über dieses Gefühl ist so schwierig zu berichten, viel einfacher ist es beispielsweise, den Bau eines Vereinsheimes darzustellen, als die soziale Gemeinschaft der Gruppe.
Nur ist genau diese Gemeinschaft eben genau das, was das Ergebnis der Förderung sein soll. Arusha 05 ist eine große Sportfamilie und man hilft sich gegenseitig, wo man kann. Für mich persönlich bedeutet dies, dass ich von mal zu mal die Kinder und Familien tiefer kennen lerne, sie buchstäblich aufwachsen zu sehen. Und genauso bilden die Kinder andersherum auch zu mir ein Vertrauen auf.
Dieses wird immer größer, je öfter ich vor Ort bin und je länger es dauert. Und dies ist sehr bedeutend für mich. Es ist ein tolles Gefühl, von den Familien eingeladen zu werden, von den Kindern durchs Viertel geführt zu werden, sich einfach offen mit ihnen auszutauschen. Sieben Tage in Daraja Mbili lassen mich fürs Leben mehr lernen, als sieben Jahre in Deutschland.
Drei Dinge sind mir dabei extrem deutlich geworden.
Erstens: Dankbarkeit.
Dankbarkeit für die grundlegenden Dinge, die ich in meinem Leben als selbstverständlich ansehe. Für Gesundheit und Krankenversorgung. Für einen sicheren Staat. Für die Unterstützung, sei es für mich ganz persönlich oder für das Projekt. Dass sich so viele Menschen für mich und dieses Projekt interessieren. Dafür, dass ich das Glück des Zufalls hatte, eben dort geboren so sein, wo ich geboren worden bin.

Zweitens Freundschaft. Wie wichtig Familie und Freunde sind. Wie wichtig soziale Kontakte sind. Wie wichtig Zusammenhalt ist und was dies für eine Gesellschaft ausmachen kann. Wie wichtig Gemeinschaft ist, um Krisen überwinden zu können.

Drittens Freude. Diese erwächst aus der Dankbarkeit. Freude über die positiven Dinge im Leben. Freude über das für uns oft Selbstverständliche. Tiefe Freude rührt für mich aus dem Verständnis, das die Dinge eben nicht selbstverständlich sind.
Und eine Sache ist mir ganz wichtig: Unsere Freunde in Daraja Mbili haben eine unglaubliche Lebensfreude und Lebensenergie. Sie sind so leidenschaftlich, so temperamentvoll und lustig und humorvoll. Ich möchte hier nicht das Leiden herausstellen. Das wäre überhaupt nicht representativ für das Lebensgefühl vor Ort, welches von solcher Warmherzigkeit geprägt ist. Es entspräche auch eher dem Stereotyp, was ich im Kopf hatte, bevor ich tieferes Verständnis für das Leben in Daraja Mbili erlangen durfte und genau damit möchte ich ja hier auch aufräumen! Da ich das Glück habe, solche Erlebnisse haben zu dürfen sehe ich mich auch in der Verantwortung, darüber möglichst authentisch zu berichten. Im Zusammenleben habe ich noch nie so oft über die fundamentalen Dinge des Lebens nachdenken müssen. Kinder in Daraja Mbili haben die selben Träume wie wir (ich weiß es, da sie mich selbst gefragt haben). Sie haben die selben Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit. Nur wachsen sie einfach unter anderen Vorzeichen auf.

Nun bin ich in Deutschland gelandet und größer könnte der Kontrast nicht sein. Kalt und still. Wo ich allerdings letztes Mal lange Zeit brauchte, mich zu adaptieren, bemerke ich, dass es für mich gar keine so große Umstellung mehr ist (na gut außer dem Wetter gegenüber). Eben weil es sich für mich nicht mehr ungewohnt ist, in Daraja Mbili zu leben. Es ist ein wenig wie wenn man mit der S Bahn von einem guten Freund, der vielleicht viele Kinder hat und wo es lustig und laut ist in die eigene, ruhige Wohnung zurück kehrt. Beides ist schön und ich bin dankbar, überall tolle Freunde und Familie haben zu dürfen.